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Baba, Stahlriese: Nachruf auf die Sendemasten am Bisamberg

Seit heute ist also das höchste Bauwerk Österreichs nur mehr ein Haufen Metallschrott. Nachdem um 12:00 der kleinere Mast in einem Stück umgelegt wurde, hat auch der Großmast um 15:00 mit einigen Sprengladungen den Weg zum Boden gefunden. Schade drum, irgendwie.
Der große Sendemast am Bisamberg hat mich schon als Kind fasziniert. In seiner Nähe sind wir als Kinder die Rodelwiese runtergebrettert und haben uns über die Schilder gewundert, die davor gewarnt haben, daß “im Winter Eisabfall vom Sender möglich” ist (und auch davor ein bißl gefürchtet). Den kleineren Mast hab ich als Kind immer ein bißl als “Pipifax” abgetan, obwohl auch der mit 120 Metern Höhe ein Riesending war. Trotzdem ich ein massives Höhenproblem habe (beim Raufklettern), wäre ich dennoch gerne einmal OBEN am großen Bisamberg-Sendemast gestanden. Das wird sich in diesem Leben wohl nimmer ausgehen…heute war ich live vor Ort bei der Sprengung dabei. Es herrschte Volksfeststimmung: in den Zuschauerbereichen gab es gratis Tee und Kaffee, die Parkplätze rundum waren schon Stunden vorher ausgelastet und die Besucher verparkten kurzerhand ganze Fahrspuren. Ich hab mir rechtzeitig einen guten Platz direkt an der Absperrung gesichert und hab mitgefilmt und -fotografiert, wobei meine Kamera einfach mittendrin mit der Serienaufnahme aufgehört hat. Wenigstens das Video ist was geworden:

In memoriam Sender Bisamberg hab ich schon vor Wochen Infos darüber zusammengetragen. Die wohl umfangreichste Dokumentation über den Sender, die Technik und die Masten am Bisamberg hat wohl Harald Chmela auf seine Website gestellt. Man findet die Geschichte des Senders, Infos zum technischen Aufbau und der Funktionsweise und den einzelnen Bauteilen der Anlage. Die Infos stammen aus erster Hand – immerhin arbeitet(e) er als Sendermesstechniker in der Anlage am Bisamberg. Zu seinen Aufgaben gehörte offenbar auch der Tausch der Blinklampen an der Mastspitze. Der Aufstieg ist sehr detailreich dokumentiert – hätt ich mich eh mein Lebtag nicht getraut. Weitere Infos und viele Bilder zum Erklettern des Nordmastes gibts auf dieser Page.
Auf der Website des Amateurfunk Klubs ADL 303 gibts viele Bilder einer Führung durch die Sendeanlage aus dem Jahr 2002. Weiters hab ich ein interessantes PDF gefunden: auf 66 Seiten wird von den “Freunden der Mittelwelle des Bisambergs” über eine Besichtigung der Sendeanlage berichtet. Zu guter Letzt sei noch die Dampfradio-Website über Österreichische Radiogeschichte empfohlen – kompakt, aber dennoch komplett kriegt man hier einen sehr guten Überblick. Und zu guter Letzt liefert Wikipedia noch die nötigen Details zum Halbwellen-Dipol, was die Sendemasten technisch gesehen waren. Ein FuZo-Beitrag von heute liefert noch kuriose Details:

Das elektromagnetische Feld des (600kW-)Senders war im unmittelbaren Nahbereich so stark, dass rundum Gartenhäuser elektrifiziert wurden. Wie schon in der Zwischenkriegszeit wurden von Gartenhäuschen und Hütten, die von der Baugenehmigung her im “dunkleren Graubereich” angesiedelt waren, längere Drähte abgespannt. Mit einem Erdungsdraht und einer Glühbirne dazwischen war die Gratis-Beleuchtungsanlage komplett.

Hier also die letzten Bilder der beiden Sendemasten, aufgenommen gestern mittag sowie (vom “Großen”) heute kurz vor der Sprengung und die (unterbrochene) Serienaufnahme während dem großen BUMM. Baba, Stahlriese. Nun ist der Donauturm der Größte in Österreich.

Nachtrag 11.7.2015: die Sendemasten sind Geschichte, aber das Sendegebäude steht noch. Ich durfte an einer Führung dorthin teilnehmen und konnte einige großartige Panoramafotos davon mitbringen!

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Ernst Michalek
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2 Kommentare
  1. Etosha
    Etosha sagte:

    Sehr schön dokumentiert, super Video, tolle Fotos. Danke. :)

    Mich hat ja als Kind immer am meisten fasziniert, dass die Dinger auf so “dünnen Beinen” stehen. Schon meinem damals noch kindlichen Statik-Empfinden kam das seltsam vor. Gut, dass du das festgehalten hast.

    (Auf Youtube gibts ein Video von der Sprengung, auf dem’s den Kameramann beim Bumm sichtlich reißt – hab sehr gelacht! Wer zu Schreckhaftigkeit neigt, braucht unbedingt ein Stativ!)

  2. nömix
    nömix sagte:

    Bissel schad um die Türme, der Bisamberg schaut jetzt ziemlich nackert aus ohne die.
    (mit der gleichen Motivation: “kostet ein Vermögen in der Erhaltung, aber bringt nix mehr” gehörert der Küniglberg eigentlich auch gesprengt.)

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