Jack-Wolfskin, Hersteller von Outdoor-Bekleidung, hat den eigenen Marketing-SuperGAU gestartet: es wird derzeit mit voller Härte auf Privatpersonen losgegangen, die auf dem Handarbeits-Portal Dawanda selbstgebastelte Handtaschen, Sticker und Ohrstecker verkaufen. Ohne Vorwarnung erhalten die betroffenen Personen kostenpflichtige Abmahnungen, weil sie es gewagt haben, dort Produkte anzubieten, auf denen Tatzen abgebildet sind und Jack Wolfskin dadurch sein Markenrecht verletzt sieht:
Die Tatze unserer Mandantin ist [..] markenrechtlich geschützt
Die Rechtsanwälte gehen dabei von Streitwerten zwischen 20.000 und 25.000 Euro aus, wodurch den Betroffenen jeweils Kosten zwischen 800 und 1000 Euro(!) auferlegt werden. Viel Geld für Verkäufer von Bastelwaren, Peanuts für Jack Wolfskin.
Dawanda hält sich aus dem Streit nobel heraus, wie im Forum zu lesen ist: die Verantwortung wird voll auf die User abgewälzt. Und für Jack Wolfskin könnte das zum Bumerang werden, denn mittlerweile haben dutzende News-Seiten über den Fall berichtet, etliche Blogger drüber geschrieben und hunderte Twitter-User die Geschichte verbreitet. Erfolg: bei der Suche bei Google nach dem Markennamen hat es der Artikel im Spiegel Online bereits auf den ersten Platz geschafft, weitere 5 Treffer auf der ersten Ergebnisseite führen zu Blog-Artikeln über den Fall. Selbst in den Wikipedia-Artikel über Jack Wolfskin hat der Rechtsstreit schon Aufnahme gefunden.
Hätte nicht ein freundliches Anschreiben auch gereicht? Weit übers Ziel geschossen, Jack Wolfskin. Bisher fand ich die Marke gut – ab sofort kauf ich sicher nix mehr mit Tatze drauf. Gibt genug andere Hersteller auch, die gute Outdoor-Bekleidung anbieten.
Außerdem hab ich 5 Katzen und zwei Hunde zu Hause, die auch Tatzen haben (und entsprechende Abdrücke hinterlassen). Wann kriegen die eine Abmahnung, Herr Rechtsanwalt?
Update 11:10 Uhr: beim Werbeblogger gibts einen treffenden Cartoon dazu. Ein Kommentator meinte dort:
Das Desaster geht tief, weil ein Stück des Markenkerns plötzlich wegbricht. JW verkauft ja auch ein Gefühl von “Freiheit und Abenteuerâ€, von Individualismus und hinaus ins Weite, wo es keine Bürokratie, keine Rechtsanwälte und keine Geldgier gibt, sondern die freie Natur. Und jetzt benehmen sie sich konzernhaft, unsensibel wie eine Dampfwalze, die durchs Naturschutzgebiet rollt.
Es ist mittlerweile auch eine Stellungnahme von JW aufgetaucht, die ebendort in vollem Wortlaut zu lesen ist und als PDF auch direkt von JW heruntergeladen werden kann. Unter anderem heisst es dort:
Die sich daraus ergebenen Kosten in Höhe von € 991,00 sind für einen Kleinunternehmer noch immer verhältnismäßig hoch, jedoch ist dieser für die Entstehung der Kosten verantwortlich, da er markenverletzende Ware verkauft hat und Jack Wolfskin dadurch zur Verteidigung der Marke gezwungen war. Dabei handelt es sich nicht um eine „Strafzahlung“, sondern um die Kosten, die Jack Wolfskin durch die Einschaltung der Anwälte entstanden sind und die im Falle der begründeten Abmahnung stets vom Markenverletzer übernommen werden müssen. Somit dient die Abmahnung auch einer schnellen und relativ kostengünstigen Beendigung der Angelegenheit. Sie verhindert also zusätzliche häufig weit höhere Kosten im Falle einer Einschaltung der Gerichte.
Nach wie vor: weit übers Ziel hinaus, mit Kanonen auf Spatzen gezielt. Mit etwas Gespür für die Lebenswelt von normalverdienenden Menschen hätte es wohl auch gereicht, nicht sofort einen Trupp Anwälte in die Weiten des Internet loszuschicken.
Update 13:30 Uhr: Lesenswert auch der etwas längere Artikel zum Thema auf trashfamous.de. Dort gibts auch kostenlos und lizenzfrei weitere Abmahnideen für JW ;-)
Update 13:50 Uhr: es entwickelt sich zu einer Marketing-Katastrophe für JW. Die Google-Suche nach „jack wolfskin“, beschränkt auf die letzte Woche, liefert knapp 300.000 Treffer – und da ist bis mindestens zur Seite 25 keine positive Meldung oder Pressemitteilung dabei, weiter durchzuklicken hat mich die Lust verlassen. Auf Twitter hat sich die Nachricht auch wie ein Lauffeuer verbreitet. Die Tatzen haben sich auf dünnem Eis bewegt und eine Lawine losgetreten. Gratulation zur erfolgreichen Markendemontage vorm Weihnachtsgeschäft!
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Ich sehe das anders. Das besticken mit einem Markenzeichen ist nunmal illegal. Da könnte man ja auch genauso gut einen Puma oder 3 Streifen draufsticken. Wer sich hier naiv stellt und nichtsahnend tut, der lügt. Dass die Zeichen dabei nicht 100% übereinstimmen ist egal, es gibt im Fall Adidas genügend Urteile wo China-Duplikate mit ähnlichen, aber nicht gleichen Streifen aus dem Verkehr gezogen wurden. Es ist nunmal nicht rechtens,
a) mit einem geklauten Markenzeichen sein Produkt aufzupäpeln
b) dem image der marke zu schaden, indem man sein minderwertiges selbstgebasteltes als dieses produkt ausgibt.
Die Abmahnung ist mehr als gerechtfertigt.
@Max V: Es stellt sich die Frage, inwiefern es überhaupt rechtens ist, dass sich ein Konzern die Rechte an ALLEN Tatzen-Fußspuren sichern kann. Tiere haben das schon seit Jahrtausenden (siehe auch den neu verlinkten Cartoon beim Werbeblogger). Wenn das so leicht geht, dann sichere ich mir das Markenrecht auf Handabdrücke – und mahne jeden ab, der seine Hand in Farbe taucht und den Abdruck wo hinterlässt (ideal etwa: Kindergärten, Volksschulen, Kreativkurse an der VHS usw.). Ich würde die Aufregung einsehen, wenn jemand das vollständige(!) JW-Logo, also inkl. Schriftzug „nachempfindet“ und verwendet. Dass sich ein Privater deshalb nicht mal mehr Katzenpfoten auf einen Ohrstecker malen lassen darf ist wohl etwas übertrieben.
Und: niemand hat seine Produkte als die von Jack Wolfskin ausgegeben – denn auf jedem(!) JW-Produkt, das ich bisher besessen habe ist irgendwo das komplette Logo mit Schriftzug drauf! Nur eine Tatze – ist eben genau NUR eine Tatze. Man kann doch nicht ernsthaft behaupten, dass sofort an JW gedacht wird, sobald ein Viech wo einen Fußabdruck hinterlässt?
@Max V ist Abmahnanwalt und sieht durch deinen Artikel seinen Kernkompetenzbereich gefährdet. Die Tatze oder Pfote als solches erreicht die Schöpfungshöhe gewiss nicht, wenn sie allein steht und kann dann als solches nicht genutzt werden. Denn das würde bedeuten, das man sich, genügend Schotter vorausgesetzt, einen Stern, einen Kreis, ein Blatt etc als Bildmarke eintragen lassen kann. Dies dan für mehrere Bereiche. Und dann, ja dann alles und jeden verklagen, der diese besagten Formen nutzt. Bei diesen angemahnten Prosukten bestand keinerlei Verwechslungsgefahr, noch war es beabsichtigt irrezuführen oder Verweise zu JW zu verwenden. Ach ja, nicht alles was hinkt ist sofort ein Vergleich. Die Produktpiraten und Raubkopierer über die du dort schreibst beabsichtigen eben genau diese Täuschungen auf gleichaussehenden gefälschten Produkten. Auf die muss man durchaus noch mit viel größeren Kalibern schießen, obwohl man auch da versuchen sollte differenziert zu sehen. Nicht jeder der ein Plagiat kauft, würde jemals das Original kaufen, Werbung läuft er dennoch. Die Presse und betroffenen Firmen schönen die Schadensstatistiken jedoch stets in schwindelerregende Höhen. Punkt aus.
@ Max v
Mit verlaub, die Sache ist etwas defiziler. Einfach mal googeln. ;)
Ich möchte außerdem eine Lanze für Dawanda brechen, es gibt mittlerweile eine offizielle Stellungnahme im Dawanda Blog.
Viele Grüße nach Österreich.
Was ist denn hier los?????
http://www.rechtsanwaltmoebius.de/presse/myfab_verklagt_web-designer_auf_loeschung_von_myfab.de.html
Na – da würde mich ja mal Eure Meinung zu interessieren …….
Klarer Fall: wer die Domain zuerst registriert hat, dem gehört sie. Grade bei Phantasiebezeichnungen. Allerdings würde ich mich in DE auf sowas nicht verlassen, denn es herrscht in der Gesetzgebung und bei den Gerichten leider weitgehende Ahnungslosigkeit, was internetspezifische Dinge angeht, siehe auch meinen letzten Eintrag von heute nachmittag. Hier wird wohl derjenige gewinnen, der den längeren finanziellen Atem hat.