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Was soll ich kochen? Immer Pferd ist langweilig!

Beim jüngst bekannt gewordenen Fleischskandal war ja die falsche Kennzeichnung das Problem (Pferdefleisch wurde als Rindfleisch verkauft und in Lasagne eingearbeitet). Aber dennoch war in vielen Kommentaren auch herauszulesen, es sei ekelig oder gar unmoralisch, überhaupt Pferdefleisch zu essen. Andere Länder, andere Sitten, denn in Wien gilt Pferdefleisch seit langer Zeit als Delikatesse – undenkbar z.b. in Ländern wie Großbritannien. Den Briten muss der Verzehr von Pferdefleisch ähnlich abwegig vorkommen, wie wenn bei uns jemand verkündet, er äße Hundefleisch.

Wiener Kochbuch, Titelseite

Aber auch hierzulande waren einst Speisen üblich, die heutzutage mehr als schräg anmuten. Einige davon mag ich euch heute vorstellen. Und damit nicht der Verdacht aufkommt, ich denke mir das aus: alle Rezepte stammen aus dem “Wiener Kochbuch” von Louise Seleskowitz (11. Auflage) aus dem Jahr 1901, das aus dem Nachlass meiner Großmutter stammt.

Über die Autorin heißt es im Buch: “gewesene Wirtschafterin des Stiftes Schotten in Wien, Begründerin des I. Wiener Kochlehr-Institutes, ausgezeichnet mit silbernen Medaillen, Ehrenpreisen und Anerkennungs-Diplomen.” 

Beginnen wir doch mit einer Suppe. Da gibt es gar leckere Rezeptideen. Etwa Rezept 178:

Wiener Kochbuch, Spatzensuppe178. Suppe von Spatzen und kleinen Vögeln (Soup aux petit oiseaux)
Nachdem man Spatzen und andere Vögel gerupft, flammiert, dann noch ausgenommen und gesalzen hat, werden sie mit Fett und blätterig geschnittener Zwiebel in der Röhre schnell gebraten. Hierauf  stößt man sie mit der Zwiebel im Mörser und gibt dieses Gestoßene mit 2 Liter Wasser und 16 Deka blätterig geschnittenem schwarzem Brot in eine Casserolle. So lässt man es ungefähr 1 Stunde mit dem nöthigen Salz in dem Fett, worin die Vögel gebraten wurden, kochen, passiert es und richtet die Suppe mit gebähten Semmelstücken an. Man kann 3 Eidotter mit 1/4 Liter Rahm abgesprudelt, dazurühren. Nach dem Braten der Vögel kann man die Brüste davon ablösen, in den Suppentopf geben und das andere zur Suppe verwenden. Wenn man will, kann das Fett von der Suppe abgenommen werden.

Es finden sich aber auch noch andere Rezeptideen für schmackhafte Suppen, wir drehen an der Geschmacksschraube:

Wiener Kochbuch, Froschsuppe213. Frosch-Suppe (Supe aux grenouilles)
16 Deka abgerindete, fein geschnittene Semmeln werden in 1 Liter Erbsenwasser gekocht, 4 gereinigte, blätterig geschnittene Champignons läßt man in 6 Deka Butter rösten, gibt zu diesem ungefähr 10 Stück ganze Frösche oder 20 Stück Froschschenkel, 2 Liter Erbsenwasser oder Wasser und läßt es weich kochen. Das Fleisch löst man dann von dem Gerippe der Frösche los und gibt es in den Suppentopf. Das Gerippe wird gestoßen und mit der Suppe zu den kochenden Semmeln geseiht, gut untereinandergerührt, gesalzen, mit 4 Dotter und 1/4 Liter Obers abgesprudelt, hierauf durch ein Sieb passiert, zu dem Fleische in den Suppentopf gegeben und mit gebähten Semmeln angerichtet. Nach Belieben kann man Madeirawein, gewöhlichen weißen Tischwein oder Champagner dazugeben.

214. Durchgestrichene Frosch-Suppe (Coulis de grenouilles)
20 vond er Haut befreite Froschschenkel, von welchen man früher die Zehen abschneidet, werden gewaschen, mit einem Tuche getrocknet und mit 8 Deka Butter, 1 Stück Zwiebel und 4 Stück gereinigten, blätterig geschnittenen Champignons geröstet, mit etwas Zitronensaft und 1/4 Liter Wein weichgedünstet. Dieses wird mit 8 hartgesottenen Eiern fein gestoßen. 14 Deka Butter werden heiß gemacht, soviel Mehl als diese auffassen, dazugegeben, geröstet, mit 3 Liter Suppe aufgegossen, und eine Stunde langsam gekocht, während welcher Zeit man das Fett rein abnimmt. Nachher gibt man die gestoßenen Froschschenkel dazu, passiert sie durch ein feines Sieb und gibt sie in eine Casserolle. Vor dem Anrichten wird die Suppe bis zum Sieden gebracht, gesalzen und mit gebähten Semmelschnitten, Reis oder Nudeln oder beliebigen Suppenspeisen zu Tisch gegeben.

Krönung der Suppenkochkunst (und jetzt wirds wirklich hart):

Wiener Kochbuch, Schildkroetensuppe215. Echte Schildkrötensuppe (Soupe vraie tortue) 
Man verwendet hiezu 2 mittelgroße Schildkröten, und zwar legt man sie auf einen Tisch, hält eine kleine glühende Schaufel auf den Rücken einer jeden, worauf die Schildkröte den Kopf und die Füße von sich strecken wird, die man bei großen Thieren (den Kopf zuerst) mit einer Hacke schnell abschlägt, bei kleinen mit einer Schere oder Zange schnell abzwickt; nun gibt man die Schildkröten, damit das Blut und die Unreinigkeit sich loslösen kann, durch eine Stunde in lauwarmes Wasser; nach Verlauf dieser Zeit legt man sie in eine Casserolle, gießt kaltes Wasser darauf und läßt sie solange kochen, bis sich die grüne Farbe von den Schildern loslöst (nach ungefähr 1/4 Stunde); unterdessen belegt man eine Casserolle, in welcher man 20 Deka Butter zerlassen hat, mit 1 Stück feinblätterig geschnittener Zwiebel, einigen ebenso geschnittenen Champignons, 1 gelben Rübe, 1 Sellerie und 1 Petersilienwurzel, gibt die Schildkröten sammt ihren Schildern hinein und läßt das Ganze ungefähr 1/2 Stunde zugedeckt langsam dünsten (das Wurzelwerk muß eine braune Farbe haben), dann gießt man 2 1/2 Liter Wasser oder auch Erbsenwasser auf, gibt 8 Deka Reis dazu und läßt es es 1 Stunde langsam kochen. Man legt hierauf die Schildkröten auf ein Brett, befreit sie von ihren Schildern, der Schild wird an der Seite aufgeschnitten, und schneidet das Fleisch in beliebig große Stücke (wie z.B. Huhnstücke). Die Suppe wird dann durch ein Sieb passiert, das Fett abgenommen, Salz, und, wenn man will, Gewürz beigegeben, mit dem Schildkrötenfleische 10 Minuten aufgekocht und mit Faschnockerln, Krebsknödeln oder gebähten Semmelstücken in den Suppentopf gegeben. Die Suppe kann, wenn man will, mit beliebigem Wein gehoben werden.
Anmerkung: Man kann auch in Büchsen oder Dosen importierte Schildkröte zu dieser Suppe verwenden. Diese wird aus der Dose herausgenommen, weichgekocht und so wie die Obigen behandelt.

216. Imitierte Schildkröten-Suppe (Supe fausse tortue)
Einen geputzten, gewaschenen Kalbskopf (wie unter 618 erklärt wird) sammt der Zunge läßt man in Suppe oder Salzwasser weichkochen, hebt ihn dann aus dem Sud heraus und trocknet ihn mit einem Tuche ab, sticht dann mit einem Ausstecher aus dem Kalbskopf runde, oder schneidet beliebige Stücke; diese gibt man mit 1/4 Liter Rindsuppe und 1/4 Liter Madeirawein und, wenn man will, mit 8 Deka feinblätterig geschnittenen Trüffeln in eine Casserolle und läßt sie ungefähr 1/2 Stunde zugedeckt kochen. Unterdessen macht man eine Einmach von 14 Deka Butter und ebensoviel Mehl, läßt einen feinblätterig geschnittenen Champignon und etwas grüne Petersilie röstenm gießt es mit 2 Liter Rindsuppe oder Brühe worin der Kalbskopf gekocht wurde, auf und läßt es gut verkochen. Das abgehäutete, in Salzwasser gekochte Hirn wurd in Stücke geschnitten und in den Suppentopf gegeben; hierauf passiert man die Einmachsuppe in die Casserolle, worin sich der Kalbskopf mit Suppe und Wein befindet, gibt Salz, wenn man will, Pfeffer dazu und läßt es noch einmal aufkochen, worauf man es mit Fasch- oder Bröselknödeln oder gerösteten Semmelstücken zu dem Kalbshirn gibt.

Bei den Hauptspeisen finden sich weitere untypische Gerichte der Wiener Küche:

1103. Gefüllte Schnecken (Escargot farcis)
20 Stück gewaschene Schnecken gibt man in siedendes Salzwasser und läßt sie ungefähr 20 Minuten kochen. Nach dieser Zeit nimmt man sie heraus, zieht die Schnecken mittelst einer Dressiernadel aus dem Gehäuse, beseitigt den Kopf, Schweifchen und das im Bauche befindliche Steinchen und schneidet das Übrige zusammen. 2 Stück Champignons, 5 Sträußchen grüne Petersilie, 1 halbfingerlanges Stück Zitronenschale und 4 Stück geputzte Sardellen werden zusammen fein geschnitten und in 8 Deka Butter geröstet. Zu diesem Gerösteten gibt man 3 Eßlöffel Semmelbröseln und die geschnittenen Schnecken, verrührt es, nachdem es vollkommen kalt ist, mit 3 Eidottern und 1/16 Liter Rahm und stellt es an einen kalten Ort. Unterdessen werden die ausgelösten Gehäuse der Schnecken mit warmem Wasser und Salz gereinigt, dann auf ein Sieb gegeben und nachdem sie vollkommen trocken sind, mit dem oben angegebenen kalten Fasch befüllt. Man gibt sie dann in eine Casserolle, überzieht sie mit Milchrahm, bestreut sie mit Semmelbröseln, betropft sie mit zerlassener Butter und gibt sie ungefähr 1/2 Stunde in die Röhre. Nach dieser Zeit nimmt man sie heraus, richtet sie in einer mit einer Serviette bedeckten Schüssel an und gibt sie mit Essig und Öl zu Tisch.

Aber auch vom Frosch gibts bei den Hauptspeisen noch weitere leckere Variationen:

1099. Gebackene Frösche
Man verwendet von diesen nur die Schenkel, zieht die grüne Haut davon ab, hackt die Unterschenkel weg und löst, damit die beiden Schenkel getrennt werden, das Kreuzbein los. Die Froschschenkel werden nun gesalzen, in Mehl getaucht, in aufgeklopfte, gesalzene Eier getunkt, in Semmelbröseln gewälzt und in sehr heißem Fett auf beiden Seiten gelb gebacken. Man nimmt sie mit einem Backlöffel heraus, richtet sie in einer Schüssel an und gibt sie mit Gemüse zu Tisch

1100. Gekochte Froschschenkel mit Wurzelwerk
Man gibt in eine Casserolle Fett, fein länglich geschnittenes Wurzelwerk, Zwiebel, 1 Lorbeerblatt und ganzes Gewürz, gießt Wasser und ebensoviel Essig dazu und lässt es zugedeckt kochen. Wenn das Wurzelwerk weich ist, so gibt man die zubereiteten Froschschenkel dazu und läßt sie zugedeckt weichsieden. Wenn dies geschehen ist, nimmt man die Schenkel heraus, gibt sie in die Mitte einer Schüssel, garniert sie mit abgeseihtem Wurzelwerk und mit geriebenem Kren. Einige Eidotter werden mit einigen Löffeln kalter Suppe abgesprudelt, der heiße Sud von dem Wurzelwerk dazugegossen und die Sauce in einer Sauciere den Froschschenkeln beigegeben.

1101. Frösche in Frikassee-Sauce (Fricassée de grenouilles)
Ungefähr 20 Frösche werden in Salzwasser weichgesotten. Unterdessen wird 8 Deka heiße Butter, ebensoviel Mehl geröstet, dieses hierauf mit dem Wasser, worin die Frösche gekocht wurden, aufgegossen, verrührt und gut verkocht. 4 Eidotter werden mit 1/2 Schöpflöffel kalter Suppe abgesprudelt und zu der verkochten Sauce gerührt. Die gesottenen Froschschenkel richtet man in einer Schüssel an, übergießt sie mit der oben angegebenen legierten Sauce und gibt sie zu Tisch.

1102. Frosch-Cotelettes (Cotelettes de grenouilles)
Die Froschschenkel werden abgehäutet, die Unterschenkel abgeschlagen und das Kreuzbein ausgelöst. Da ein Froschschenkel zu wenig Fleisch an sich hat, so wird das Fleisch von einem Schenkel abgelöst und auf einen anderen Schenkel gegeben, jedoch so, daß das Bein hervorsteht; man klopft hierauf das Fleisch ein wenig und formt es so, das es einer Cotelette gleicht. Diese Cotelettes werden nun gesalzen, nach Belieben mit Pfeffer bestreut, hierauf in Mehl getaucht, in aufgeklopfte, gesalzene Eier getunkt, in Semmelbröseln gewälzt und in sehr heißem Fett gebacken. Mit einem Backlöffel werden sie herausgenommen, rundlaufend auf einer Schüssel angerichtet und in die Mitte derselben beliebiges Püreee oder Gemüse gegeben.

Abschließend noch einige Varianten der beliebten Wiener Schildkröte ;-)

1111. Schildkröte (Tortue)
Die Schildkröte gibt man auf ein starkes Brett oder einen Hackstock und eine glühende Schaufel oder Zange wird auf den Rücken der Schildkröte gelegt. Wenn infolgedessen Füße und Kopf heraustreten, so wird zuerst der Kopf abgeschnitten und sodann die Füße. Man nimmt dazu eine Schere oder ein starkes Messer. Hierauf wird die Schildkröte mehreremale in lauwarmes Wasser gegeben, von da an in kaltes Wasser, worin man sie zum Kochen bringt und zugedeckt, größere 1 Stunde, kleinere 1/2 Stunde sieden lässt. Nach dieser Zeit wird sie herausgenommen, Schale und Haut abgelöst, das Eingeweide behutsam herausgenommen und das Fleisch in beliebige Stücke geschnitten. Eine Casserolle wird mit Fett oder Butter, Zwiebel, Wurzelwerk und Champignons belegt, und wenn dieses etwas geröstet ist, mit der Suppe, worin die Schildkröten gekocht wurden, aufgegossen, verrührt und gut verkocht. Mit diesem Saft, welcher passiert sein muß, rührt man eine Buttersauce ab und läßt sie gut verkochen. Die in Stücke geschnittenen Schildkröten werden in einer Schüssel angerichtet und die Buttersauce darübergegossen.

1112. Schildkröte schlachten, um die Schale unversehrt zu bekommen
Man hängt die Schildkröte an den hinteren Beinen auf, der Kopf wird, wenn sie denselben aus der Schale steckt, mit einer Schlinge gefangen, vollends herausgezogen und rasch abgeschnitten; so läßt man die Schildkröte 3-4 Stunden hängen, damit sie sich vollends ausblutet. Hierauf wird die Schildkröte herabgenommen, auf den Rücken gelegt und der untere Schild mit einem langen, spitzen Messer vorsichtig abgelöst, damit die Galle nicht zerstochen wird. Man nimmt nun das Eingeweide heraus, löst das Fleisch sorgfältig aus, haut die Beine ab, brüht es mit warmem Wasser ab, gibt es dann in kaltes Wasser, wäscht es gut aus und verwendet es zu seinem Gebrauche.

1113. Schildkröten-Ragout [Moctourtle] (Tortue en ragout)
Die Bereitung der Schildkröten ist dieselbe, wie sie vorher angegeben ist. Zu den in kleine Stücke geschnittenen Schildkröten gibt man Krebsscheren, 1 abgekochtes Milchnerbeuschel, grüne Erbsen, die ausgelösten Schildkröteneier, mischt alles gut untereinander, gibt es in die Mitte einer Schüssel und garniert es mit Froschcotelettes, Faschnockenetc; man kann in die Faschnocken oder Knödel das Blut der Schildkröte einrühren. Mit der Schildkrötensuppe wird eine Buttersauce abgerührt, welche mit 3 Eidottern, die mit etwas Zitronensaft abgesprudelt wurden, legiert wird und diese dann nach Belieben mit blätterig geschnittenen Trüffeln vermengt. Einen Theil dieser Sauce gießt man über das Ragout und gibt die übrige Sauce in einer Sauciere bei.

Und auf einmal klingt Pferd gar nicht einmal so übel. Rezepte gefällig?

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Ernst Michalek
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